Auf Basis der aktuellen Infos ist es nicht erklärlich, wie man hier für ein Milliardenprojekt einerseits nur einen Strich in die Landschaft legen und dann schon von einem sehr guten Nutzen Kosten Verhältnis dieses Bahnprojektes reden kann, um dann noch zu ergänzen, dass es wahrscheinlich den einen oder anderen Tunnel geben wird.
Wenn man jetzt entlang dieses Striches auf Suche nach einer Tiefenlinie – v.a. in O-W-Richtung – oder idealen Trasse gehen sollte, wird man relativ lange suchen.
Nicht verwunderlich, dass die Ingenieure im vorletzten Jahrhundert zu einer Bahntrasse rd. 10-15 km weiter nördlich gekommen sind und mit Ried und Braunau die größten Städte im südlichen Innviertel angebunden haben.
Mit der NIB wird man bei einzelnen Zügen auf Retortenbahnhöfen im Niemandsland stehenbleiben. Viel zu wenig Potenzial, dass sich hier ein Mindestmaß an Bahnhofsleben entwickeln könnte. Ein Schicksal wie Selzthal von vornhinein sicher. Andererseits wird man die bestehende Strecke kaum beschleunigen und weniger Direktzüge nach Wels und Linz anbieten.
Für ein Projekt dieses Ausmaßes sollte man bei der Erstpräsentation mit einem Mindestmaß an Informationen in die Öffentlichkeit gehen: Also einen realistischen Streckenverlauf mit groben Aussagen dazu, eine realistische Kostenschätzung, das mögliche Fahrgastpotenzial und die durchgeführten Variantenuntersuchungen.
In den Gesamtüberlegungen sollte aber auch eine wesentliche Frage spielen, was so eine neue Bahnstrecke an Veränderungen im österreichischen Bahnsystem bringen könnte.
Wenn diese Strecke gegenüber der bisherigen Fahrzeit nach München so viel schneller sein sollte, dann werden nicht nur die Fahrzeiten nach Süd-Deutschland und in die Schweiz, sondern auch nach Westösterreich hier die kürzesten sein. Also auch nach Tirol, wenn man je nach Trassenverlauf in Bayern von Norden – z.b. über Wasserburg – wieder in Rosenheim auf die Korridorstrecke trifft und auch hier bis zu 30 min schneller ist als derzeit. Wie soll man dann argumentieren, dass man hier auf schnellem Weg nach München Tirol (und Vorarlberg) links liegen lassen will?
Damit werden die Bedeutungen von Salzburg als Bahnstopp bzw. der Weststrecke westlich von Wels deutlich reduziert und muss auch die Notwendigkeit der sündteuren, weitgehend unterirdischen Neubaustrecke von Salzburg nach Köstendorf hinterfragt werden, die jetzt schon in den Schätzkosten mit 170 Millionen Euro je km das teuerste Bahnprojekte Österreich im Hinblick auf die Kilometerkosten darstellt.
Warum kann hier nicht auf die Variantenuntersuchung der 90er Jahre zurückgegriffen werden, die v.a. den Ausbau der bestehenden, inzwischen 150 Jahre alten Strecke von Neumarkt – Kallham über Ried nach Braunau untersucht hat? Die damals favorisierte Variante 2 wäre ein bestandsnaher Ausbau auf Tempo 160 gewesen. Die Kosten würden nach heutigem Stand inkl. der üblichen Erhöhungen bei rund 1 Mrd Euro liegen.
Im Gegensatz dazu würde die Errichtung einer Strecke entlang dieses Striches eine Bahnlinie bedeuten, die nicht nur einen massiven Eingriff in unberührte und ruhige Gegenden darstellen würde sondern auch einen erheblichen Anteil an Kunstbauten hätte. Tunnel und Brücken würden sich abwechseln und wahrscheinlich mindestens 60 – 70 % der Strecke ausmachen. Einfache Verhältnisse wird es hier fast nirgends geben. Am ehesten am westlichen Ende im Weilharter Forst. Nur darf man dort derzeit nicht einmal als Radler durchfahren. Im oö Abschnitt würde die NIB im Mittel um 80-100 m höher liegen als die bestehende Innkreisbahn. Der ökologische Rucksack wäre sehr viel größer als beim Ausbau der Bestandsstrecke.
Es wäre also wahrscheinlich viel vernünftiger, nun endlich die jahrzehntelang angekündigte Ertüchtigung der bestehenden Bahnstrecke anzugehen und damit eine sinnvolle Ergänzung im Bahnnetz zu schaffen, um für jene, die nach München, Süddeutschland und weiter wollen, eine schnellere Verbindung zur Verfügung zu stellen und vor allem die Westachse in Österreich besser für Streckenunterbrechungen aufzustellen (Bypass zur Strecke Wels – Salzburg – Rosenheim). Und v.a. auch das südliche Innviertel viel besser an den oö Zentralraum und das restliche Österreich anzubinden.
Für alternative Bahngroßtaten gibt es viele andere Möglichkeiten!
Wenn Österreich schon so viel Geld für die Bahn in die Hand nimmt, dann sollte es v.a. für jene investiert werden, die das auch langfristig – wir reden da von Generationen – wieder zurückzahlen werden. Die österreichischen Steuerzahler!
Und nicht v.a. für die, die von außen hereinkommen oder nur durch Österreich durchfahren (wie z.b. beim BBT). Da müsste schon die EU einspringen.
Bitte auch zuerst jene Baustellen angehen, die es schon jahrzehntelang gibt und deren Erledigung genauso lang verspochen wurde und nicht wieder neue Megaprojekte beginnen.
In Österreich ist der Bahnausbau in den letzten 10 Jahren von den 3 Großprojekten Brenner Basistunnel, Koralmbahn und Semmering-Basistunnel dominiert worden. In diese Projekte, die von vielen Seiten sehr kritisch gesehen wurden und werden, ist jahrelang 60-70 % Gesamtinvestitionen bei einem Längenanteil von 4 % am österreichischen Bahnnetz geflossen und sollte es mit der NIB nicht schon wieder einen Rückfall in diese Fokussierung auf Milliardenprojekte geben, der ja wieder wichtige andere Projekte verschieben würde.
Welchen Anteil der genannten 26 Mrd Euro macht denn die neue Innkreisbahn nach dem Ziehen des Striches aus?
Wenn man die Kilometerkosten der Neubaustrecke St. Pölten –Wien heranzieht und auf den heutigen Stand bringt, dann wären hier bei einer Länge in OÖ von rd. 90 km Kosten von 90 x 50 Mio Euro = 4,5 Mrd Euro Kosten zu erwarten. Bzw. wenn man die Hälfte des extrem teuren Bahnprojektes Salzburg – Köstendorf nimmt: 90 x 85 Mio Euro = 7,7 Mrd Euro.
Angesichts dieser Kosten sollte es bei der Grundlinie des weiteren Netzausbaues jetzt einmal in Richtung Verbesserung in der Fläche gehen.
Zu solchen Großprojekten, die in ganz Österreich oder zumindest in großen Bereichen davon wirken werden, zählen:
- Anheben der Durchschnittgeschwindigkeit des Fernverkehrs auf den inneralpinen Hauptstrecken auf mindestens 100 km/h und damit deutliche Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit zum Autoverkehr.
Im Abschnitt Linz – Selzthal haben wir z.B. immer noch nur 67 km/h (also ein Drittel der geplanten Geschwindigkeit auf der Neuen Innkreisbahn) und die Aussichten im Zielnetz 2040 auf eine Beschleunigung sind ambitionslos. Dort fahren im Sommer auch schon 40.000 Kfz pro Tag auf der parallelen Autobahn! - Einrichten von Doppelgleisabschnitten, um bei allen Bahnstrecken Österreichs im weiteren Umfeld von Ballungszenten zumindest den Halbstundentakt umsetzen zu können.
- Österreichweite Untersuchung, mit welchen Projekten mit den besten Nutzen-Kosten Verhältnissen (unter gleichzeitiger Beachtung des ökologischen Rucksacks der Errichtung) am meisten neue Fahrgäste lukriert werden können. Und das für einen Topf von z.B. 6, 8 bzw. 10 Mrd Euro, also in etwa der Größenordnung der möglichen Kosten der NIB.
Eine sündteure Hochgeschwindigkeitsstrecke wie die NIB wird da nicht darunter sein, weil diese – abseits von allen sonstigen vollkommen ungeklärten Fragen – bei diesem schwierigen Streckenverlauf v.a. von der Seite des Klimaschutzes nicht weit vorne liegen kann.
Die positivsten Klimawerte können nur auf Bestandsstrecken auftreten, wo derzeit eindeutig zu wenig Angebot existiert oder auch das Angebot zu wenig genutzt. Das hat aber meist Gründe, die bekannt sind und die mit den richtigen Investitionen auch behoben werden könnten. Dazu zählt auch ausreichend rollendes Material zur Verfügung stellen.
Also Ja zu einer flächenhaften Verbesserung des Bahnnetzes in Österreich auch abseits der West- und Südstrecke bzw. der Inntal-Brennerachse, das in den letzten 50 Jahren um rd. 15 % bzw. rd. 1000 km geschrumpft ist und Ja zu einer Verdoppelung des Bahnverkehrs in Österreich durch Investitionen abseits von Brennerbasistunnel, Semmeringbasistunnel und Koralmbahn in die restlichen 96 % des österreichischen Bahnnetzes., d.h. vorallem für den Nahverkehr, der ja ca. 85 % des Bahnverkehrs in Österreich ausmacht.